Jemen: Vergessene Krise

LandsAid im Interview mit Adel Hashem, Geschäftsführer unserer Partnerorganisation Human Needs Development

Nicht in Vergessenheit geraten lassen!

November 2024 – Der seit 2015 andauernde Bürgerkrieg im Jemen hat die schlimmste humanitäre Krise der Welt ausgelöst. Besonders fatal ist die Hungersnot. Durch Binnenflucht, Zerstörung der Infrastruktur und Wegfall des Arbeitsmarktes ist es den Menschen im Jemen nicht möglich, sich selbst zu verpflegen. Sie haben kaum Zugang zu Nahrung oder Wasser. Vor allem für Kinder ist das eine lebensbedrohliche Situation. Seit 2017 helfen wir den Menschen im Jemen in ganz unterschiedlichen Projekten, die unsere langjährige Partnerorganisation Human Needs Development implementiert und umsetzt. Dennoch: Die humanitäre Katastrophe im Jemen ist in der medialen Welt kaum präsent. Überlagernde Kriege und Konflikte (etwa Gaza, Ukraine) verstärken ein großes Problem – nämlich die Tatsache, dass die katastrophale Situation im Jemen mehr und mehr zu einer „vergessenen Krise“ wird. Wir haben mit Adel Hashem, Geschäftsführer von Human Needs Development, über diese Problematik gesprochen.

Adel: „Die humanitäre Krise im Jemen wurde durch die Kriege in Gaza und in der Ukraine noch verschärft. Diese Eskalationen der Konflikte haben die Aufmerksamkeit und die Ressourcen der Weltöffentlichkeit vom Jemen abgezogen und die bestehenden Probleme in verschiedenen Bereichen wie Ernährungssicherheit, Gesundheitsversorgung und Verteilung von Hilfsgütern verschärft.

Der Krieg im Gazastreifen etwa hat ein sofortiges globales Eingreifen erfordert. Internationale Hilfsorganisationen haben ihre Ressourcen auf die Bewältigung der Notsituation im Gazastreifen umgelenkt. Die Krise im Jemen dauert zwar noch an, doch besteht nun die Gefahr, dass sie die Aufmerksamkeit verliert wird. Das führt zu Finanzierungslücken bei Nahrungsmittelprogrammen, Gesundheitsdiensten und anderen wichtigen Hilfsleistungen.

Internationale Organisationen wie das Welternährungsprogramm (WFP) haben bereits über eine erhebliche Unterfinanzierung für den Jemen berichtet. Das hatte zur Folge, dass Maßnahmen zur Versorgung von Millionen bedürftiger Menschen eingestellt werden mussten.“

Adel: Die Mittelkürzungen für die Jemen-Krise haben das Risiko einer Hungersnot in einem Land erhöht, in dem bereits ohnehin fast 19 Millionen Menschen von Ernährungsunsicherheit betroffen sind. An dieser Situation leiden vor allem Kinder. Viele sind akut unterernährt und ohne sofortige Hilfe vom Tod bedroht.

Die ‚Geber- oder Spendermüdigkeit‘, die nach dem jahrelangen Konflikt ohnehin schon eine Herausforderung darstellt, ist nun noch größer geworden. Da sich die internationale Aufmerksamkeit auf andere Krisen und Konflikt-Eskalationen konzentriert, besteht die Befürchtung, dass der Jemen noch mehr an den Rand gedrängt wird. Diese Schwerpunktverlagerung erschwert es, neue Unterstützung für die laufenden humanitären Bemühungen zu gewinnen, auch wenn die Lage im Jemen weiterhin kritisch ist.

Besonders der Krieg im Gazastreifen hat die Herausforderungen, denen sich der Jemen gegenübersieht, noch verschärft. Hilfsgüter wurden umgeleitet, die Gesundheitsversorgung geschwächt und die Versorgungswege unterbrochen. Ohne erneute Aufmerksamkeit und anhaltende Unterstützung könnten Millionen von Jemeniten noch tiefer in die Krise stürzen.“

Adel: „Viele jemenitische Familien haben Schwierigkeiten, ihren täglichen Nahrungsmittelbedarf zu decken. Aufgrund der steigenden Preise und der unterbrochenen Versorgungsketten greifen die Menschen zu extremen Maßnahmen: Sie reduzieren die Häufigkeit und Größe der Mahlzeiten, verzehren weniger nahrhafte Lebensmittel oder Erwachsene lassen den Kindern den Vortritt, wenn die Nahrung knapp ist. In Hodeidah beispielsweise berichten Familien, dass sie Mahlzeiten ausfallen lassen, um sicherzustellen, dass ihre Kinder ausreichend zu essen bekommen, auch wenn die Erwachsenen dadurch hungrig bleiben.

Mehr als 4,5 Millionen Jemeniten sind nach wie vor auf der Flucht, wobei einige Familien mehrmals fliehen mussten. Diese vertriebenen Familien haben Schwierigkeiten, sichere Unterkünfte zu finden, und können aufgrund von Instabilität, Landminen und fehlenden wirtschaftlichen Möglichkeiten oft nicht in ihre Häuser zurückkehren. Selbst diejenigen, die in Lagern oder Unterkünften untergebracht sind, leben unter prekären Bedingungen und sind auf die begrenzte humanitäre Hilfe angewiesen, um zu überleben.“

Adel: „Die Krise im Jemen findet aus mehreren Gründen nur wenig Beachtung in den Medien, obwohl es sich um eine der schwersten humanitären Notsituationen der Welt handelt.

Ein Hauptgrund ist die langwierige Natur des Konflikts. Seit Beginn des Krieges im Jahr 2015 hat es keine dramatischen Entwicklungen oder schnellen Veränderungen gegeben. Mit der Zeit hat die Aufmerksamkeit der Medien nachgelassen, da neuere Konflikte wie der Krieg in der Ukraine oder die jüngste Gaza-Krise auftauchten und den Fokus vom Jemen ablenkten. Nachrichtenplattformen neigen dazu, dringenden oder sich schnell entwickelnden Geschichten den Vorrang zu geben, so dass Langzeitkrisen wie der Jemen aus den Schlagzeilen verschwinden.

Auch die Komplexität des Konflikts spielt eine Rolle. An dem Krieg sind mehrere Parteien beteiligt, darunter regionale Mächte wie Saudi-Arabien und Iran sowie lokale Akteure. Es ist schwierig, ihn in einfache Erzählungen zu fassen, die von einem globalen Publikum verstanden werden. Infolgedessen fällt es dem Jemen schwer, das gleiche Maß an öffentlichem Engagement zu erreichen.

Auch fehlt dem Jemen die strategische Relevanz, die das Engagement der großen Weltmächte anlockt. Konflikte, die sich auf wichtige geopolitische Interessen auswirken, wie Energiesicherheit oder regionale Bündnisse, finden in der Regel mehr Beachtung in den internationalen Medien. Der Jemen wird, obwohl er auf der Arabischen Halbinsel eine wichtige Rolle spielt, oft als lokaler Konflikt wahrgenommen, was ihn weniger prominent macht.“

Adel: „Die aktuelle humanitäre Müdigkeit ist eine weitere Herausforderung. Angesichts der zahlreichen Krisen weltweit – von Kriegen bis hin zu Naturkatastrophen – sind die Öffentlichkeit und die Geberinnen und Geber oft überfordert. Bei so vielen Notsituationen, die Unterstützung erfordern, ist es für Langzeitkrisen wie die im Jemen schwierig, das Interesse aufrechtzuerhalten.

Der eingeschränkte Zugang zu den Medien im Jemen verschärft dieses Problem noch. Die anhaltende Gewalt, die politische Unterdrückung und logistische Hindernisse stellen Journalisten vor große Herausforderungen bei der Berichterstattung vor Ort. Internationale Reporter haben nur begrenzten Zugang zu Gebieten, die von verschiedenen Gruppierungen kontrolliert werden. Zudem werden lokale Journalisten häufig zensiert oder bedroht, so dass es für die jemenitische Berichterstattung schwierig ist, die Weltöffentlichkeit zu erreichen. Dadurch wird das Verständnis der internationalen Öffentlichkeit für das Leid, das die Jemeniten täglich ertragen müssen, weiter eingeschränkt.

Schließlich haben die schwache Lobbyarbeit und die zersplitterten Bemühungen die Sichtbarkeit des Jemen beeinträchtigt. Internationale Hilfsorganisationen sind zwar aktiv, aber koordinierte Kampagnen für den Jemen sind weniger sichtbar als bei anderen Konflikten mit hohem Bekanntheitsgrad.

Zusammengenommen tragen diese Faktoren dazu bei, dass die Krise im Jemen trotz des anhaltenden Leidens von Millionen Menschen oft übersehen wird. Um dies zu ändern, sind eine verstärkte Lobbyarbeit und gezielte Medienkampagnen unerlässlich, damit die jemenitische Krise inmitten der vielen anderen Notsituationen in der Welt nicht in Vergessenheit gerät.“

Adel: „Um das Bewusstsein für die Krise im Jemen zu schärfen, sind mehrere Ansätze wichtig.

Einer dieser Ansätze sind Kampagnen in den sozialen Medien, die mit persönlichen Geschichten und viralen Hashtags ein großes Publikum ansprechen können. Auch die Zusammenarbeit mit Medien und die Unterstützung von Journalisten tragen dazu bei, dass regelmäßig über den Konflikt berichtet wird. Veranstaltungen wie Filmvorführungen, Ausstellungen und Diskussionen können die Menschen aufklären und das Fundraising für gemeinnützige Organisationen fördern.

Die Einbeziehung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Aktivisten und einflussreichen Persönlichkeiten verstärkt die Botschaft und sorgt für öffentliche Aufmerksamkeit. Auch Schulen und Universitäten können das Bewusstsein durch Workshops und Studenteninitiativen schärfen und so die jüngere Generation ansprechen. Die Lobbyarbeit sollte sich auch darauf konzentrieren, bei Regierungen und internationalen Organisationen darauf hinzuwirken, dass der Jemen auf ihrer politischen Agenda bleibt.

Gemeinsam und zusammen mit anderen Ansätzen können diese Bemühungen den Jemen wieder in den globalen Fokus rücken und sicherstellen, dass die Krise die Aufmerksamkeit und Hilfe erhält, die sie dringend benötigt.“

Adel: „Die Unterstützung durch LandsAid bedeutet enorm viel für die Menschen im Jemen. Angesichts des anhaltenden Konflikts und des wirtschaftlichen Zusammenbruchs kämpfen viele Familien täglich darum, ihre Grundbedürfnisse wie Nahrung, sauberes Wasser und medizinische Versorgung zu sichern. Durch Ihre Hilfe werden nicht nur lebenswichtige Ressourcen bereitgestellt, sondern auch Hoffnung und Würde in das Leben der Menschen zurück gebracht, denen Sie helfen.

Jedes Lebensmittelpaket, jede Schulungsmaßnahme und jede Bildungsmöglichkeit macht einen spürbaren Unterschied und verwandelt Verzweiflung in Widerstandskraft. Diese Unterstützung ermöglicht es den Familien, sich auf den Wiederaufbau ihres Lebens zu konzentrieren und fördert ein Gemeinschaftsgefühl. Das erinnert sie daran, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind.

An einem Ort, an dem Ungewissheit herrscht, strahlen die Bemühungen von LandsAid wie ein Leuchtfeuer der Hoffnung, das Einzelpersonen und Familien den Traum von einer besseren Zukunft ermöglicht.“

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Wir leisten Nothilfe, aber auch langfristige Unterstützung im Jemen – hier herrscht eine der schlimmsten Hungerkrisen weltweit. Helfen Sie uns dabei, die Menschen möglichst nahtlos mit den wichtigsten Grundnahrungsmitteln zu versorgen. Helfen Sie uns dabei, sie langfristig zu stabilisieren und ihnen Möglichkeiten der Selbsthilfe aufzuzeigen. Lassen Sie eine der schlimmsten humanitären Katastrophen weltweit nicht in Vergessenheit geraden. Unterstützen Sie unsere Arbeit für die Menschen im Jemen jetzt mit Ihrer Spende. Vielen Dank!

Der seit 2015 andauernde bewaffnete Konflikt hat die bereits zuvor kritische Lage im Land noch deutlich verschärft. Der Krieg wird von einer von Saudi-Arabien geführten Militärkoalition und den vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen ausgetragen.

Neun Jahre Krieg haben die ohnehin kritische wirtschaftliche und zivile Infrastruktur fast vollständig zerstört. Rund vier Millionen Menschen sind innerhalb des eigenen Landes auf der Flucht vor Kriegshandlungen und Gewalt, 17 Mio. Menschen haben unzureichend Zugang zu Nahrungsmitteln (UNHCR).

Die Kämpfe haben Fabriken und Anbauflächen zerstört sowie Millionen Menschen zu Flüchtlingen im eigenen Land gemacht. Sie können nicht mehr ihrer Arbeit nachkommen und haben kein Einkommen. Die Wirtschaft ist extrem geschwächt. Erhebliche Einkommensverluste und bis auf das Doppelte des Vorkrisenniveaus erhöhte Preise haben die Wirtschaft des Landes an den Rand des Untergangs gebracht.

Die Menschen im Jemen sind in einer katastrophalen Lage und kämpfen im Krieg täglich ums Überleben. Durch Binnenflucht, Zerstörung der Infrastruktur und Wegfall des Arbeitsmarktes ist es ihnen nicht möglich, sich selbst zu versorgen. Sie haben kaum Zugang zu Nahrung oder Wasser. Fast 20 von 28 Millionen Menschen sind bereits jetzt von akuter Nahrungsunsicherheit betroffen. Mehr als zehn Millionen Menschen droht der Hungertod. Etwa 130 Kinder sterben laut Unicef im Jemen jeden Tag an Unterernährung, 90 Prozent der Familien im Jemen sind auf eine Form von humanitärer Hilfe angewiesen.

Unsere Jemen-Projekte im Bereich der humanitären Hilfe werden unterstützt durch Aktion Deutschland Hilft. Unsere nachhaltigen Projekte im Jemen werden gefördert durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sowie von Aktion Deutschland Hilft.

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2024-11-29T07:41:15+00:00
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