Hochwasser in Nordendorf : „Wir sind alle am Limit“

LandsAid: Besuch der schwer vom Hochwasser betroffenen Gemeinde Nordendorf 

Massive Schäden

Juni 2024 – Noch vor zwei Wochen war ganz Nordendorf von einer schmutzigen Wasserplatte bedeckt. Nun schaut es hier auf den ersten Blick wieder gut und sauber aus – auf den zweiten wird schnell klar: Den Anwohnerinnen und Anwohnern der kleinen Gemeinde nördlich von Augsburg sitzt das Unglück noch in den Knochen. Alle stecken zudem noch mitten in der Arbeit „Zunächst einmal müssen alle Schäden erfasst werden, um zu begreifen, womit wir es in den nächsten Wochen und Monaten zu tun haben werden“, erklärt Nordendorfs Bürgermeister Tobias Kunz.

Da LandsAid die schwer vom Hochwasser betroffene Gemeinde finanziell unterstützt, waren unsere Projektmanagerin Raquel und unsere Pressereferentin Andrea letzten Freitag vor Ort, um sich ein Bild vom Geschehen zu machen – und um mit Kunz persönlich zu sprechen. Obwohl selbst enorm viel um die Ohren, hatte er sich extra Zeit genommen, um den beiden nicht nur die großen Schäden, sondern auch die „Orte des Geschehens“ zu zeigen.

Gleich am vereinbarten Treffpunkt, dem Bauhof der Gemeinde, stach die beeindruckende Menge an Sandsäcken entlang der Schmutter ins Auge.

Insgesamt wurden in Nordendorf 60.000 Sandsäcke zur Verstärkung des Deiches verbaut. 40.000 davon hatten Bürgerinnen und Bürger sowie die Feuerwehr mit insgesamt 452 Tonnen Sand an einem Tag selbst befüllt. „So eine Gemeinschaft haben wir bisher noch nie erlebt“, berichtet Kunz. „Wirklich alle haben mitgemacht.“ 20.000 weitere Sandsäcke seien zusätzlich vom THW Schwabmünchen angeliefert worden. „Nun sind die Sandsäcke vermutlich Sondermüll“, so Kunz. Zu stark seien sie mit Fäkalien und Heizöl kontaminiert.

„Das Wasser stand bis zur Oberkante des Deiches“, sagt Kunz. Die sonst so ruhige Schmutter sei zu einem reißenden Fluss geworden. Dennoch: Der Deich im Dorf hat alles gehalten. Das Wasser ist südlich der Gemeinde über die Ufer getreten. Es floss von Richtung Blankenburg und Westendorf über die Felder und Wiesen auf der Ostseite der Schmutter in Richtung Westseite, direkt in das Dorf hinein.

„Wir haben noch versucht, die Flut mit einer Barriere aus Teichfolie und Pflastersteinpaletten aufzuhalten, die ein lokaler Baustoff-Unternehmer zur Verfügung gestellt hatte“, erklärt Kunz. Die ein bis zwei Tonnen wiegenden Paletten seien jedoch von der kommenden Flut weggedrückt worden. „Es war einfach zu viel Wasser, mit einer zu großen Kraft“, so Kunz.

Das THW aus Schwabmünchen sei sofort angerückt, berichtet der Bürgermeister. Außerdem seien Bundeswehr und rund 30 Feuerwehren aus ganz Bayern herbeigeilt. „Spezialisierte Feuerwehren waren allein dafür da, die Keller von Öl zu befreien“, so Kunz.

In einem ersten Schritt wird LandsAid die Gemeinde beim Wiederaufbau des zerstörten Bauhof-Sozialraumes unterstützen. Die gesamte Kücheneinrichtung – Eckbank, Stühle, Küchenschränke und Spülmaschine – stand unter Wasser. Da die Kläranlagen in der Umgebung ebenfalls überschwemmt waren und Heizöl von den Häusern ausgespült wurde, war das Wasser stark verunreinigt – und damit auch die Möbel und Geräte. Sie müssen daher entsorgt und ersetzt werden.

Das Wasser lief innerhalb von zwei bis drei Tagen von selbst wieder ab, berichtet Kunz. Pumpen hätte hier nichts gebracht. Zwei Bautrockner sind hier nun rund um die Uhr auf Hochtouren im Einsatz. Der Strom wird von der PV-Anlage produziert, die letztes Jahr erst installiert wurde.

Auch den Keller der örtlichen Offenen Ganztagsschule hat es schwer erwischt. Zum einen habe Grundwasser durch den Boden gedrückt, erklärt Kunz, zum anderen sei Hochwasser in die Sickerschächte gelaufen, von wo aus es über die Gullis in den Keller kam. Das Wasser stand schließlich bis zur ersten Treppenstufe.

Der Laminatboden eines Unterrichtsraumes im Schulkeller etwa, der erst letztes Jahr eingerichtet wurde, musste komplett abgerissen werden. Auch die Elektroleitungen seien möglicherweise beschädigt, so Kunz, da Wasser in die Steckdosen gelaufen sei. Weitere betroffene Räume: die Schulmensa und der Essensraum, das Gemeindearchiv, der Handarbeits- und Werkraum sowie ein Aufenthaltsraum.

Der Handarbeitsraum war ursprünglich mit einem schönen alten Holzboden ausgestattet, der nun entfernt werden musste. Im Nebenraum ist bereits ein Schimmelbefall zu erkennen. „Jetzt heißt es trocknen, trocknen, trocknen“, sagt Kunz. Entsprechende Geräte laufen in den Räumen auf Hochdruck. Die Trocknungsarbeiten werden bis Herbst anhalten – und es wird mindestens ein Jahr dauern, bis der Keller wieder nutzbar ist. Der gesamte Estrich muss mit Heißluft durchgeblasen werden.

Eine Schulwoche konnten die Kinder nicht in die Schule, da im Schulhaus die geretteten Einrichtungsgegenstände aus dem Keller gelagert wurden und die Kanalisation nicht funktioniert hat. Immer noch müsse improvisiert werden, sagt Kunz. Gerade, was die Ganztagsbetreuung angehe, brauche es Zwischen- und Notlösungen. Die Nachmittagsbetreuung werde teilweise in andere Räumlichkeiten ausgelagert.

Auch der Schulsportplatz sei immer noch eine Baustelle mit erwarteten Kosten von über einer Million Euro. Auch hier habe das Wasser „bis Oberkante“, bis zu den ersten Sitzstufen, gestanden, meint Kunz.

Nordendorfs Anwohnerinnen und Anwohner wurden schnell und rechtzeitig evakuiert. Von Sonntag bis Mittwoch kamen sie entweder bei Freunden, Verwandten und Bekannten unter – oder sie suchten Unterschlupf in der Messehalle Augsburg. Hier wurde seitens der Regierung von Schwaben ein Sammellager aufgebaut. Viele Privathäuser seien schlimm betroffen und zum Teil sogar abbruchreif, berichtet Kunz, nur wenige Menschen in Nordendorf jedoch entsprechend versichert. Wegen der Deklarierung als Hochwassergebiet seien Versicherungen enorm teuer.

„Nun haben wir mindestens ein Jahr lang ein Projekt, das wir gar nicht auf dem Schirm hatten“, bedauert Kunz. „Wir sind alle absolut am Limit.“ Die Schadensbeseitigungen erfordern jedoch Zeit und Geduld. „Alle Handwerker in der Gegend sind beschäftigt und schwer zu bekommen“, sagt Kunz. Die Förderverfahren würden zudem einen enormen „Papierkrieg“ mit sich bringen. „Das zieht sich.“

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Heftige Unwetter haben Anfang Juni in Bayern und Baden-Württemberg zu Hochwasser, Überschwemmungen und Erdrutschen geführt. Tausende Menschen mussten ihre Häuser verlassen, um sich in Sicherheit zu bringen. Mehrere Menschen sind gestorben oder gelten als vermisst. Ortschaften, Straßen, Gebäude und Keller standen oder stehen unter Wasser. Anwohnerinnen und Anwohner sehen sich mit Hochwasserschäden konfrontiert. Einige Städte und Landkreise haben den Katastrophenfall ausgerufen. In Bayern war das in elf Landkreisen der Fall.

In der Gemeinde Nordendorf bei Augsburg geschah, was vielen Gemeinden in Süddeutschland gleichermaßen widerfuhr: Die Wassermassen waren zu groß, die Bevölkerung musste evakuiert werden. In manchen Orten fiel in 24 Stunden mehr Regen als im Durchschnitt eines ganzen Monats. In einigen Landkreisen sind die Pegel der Bäche und Flüsse auf ein Jahrhunderthoch angestiegen. So auch die Schmutter in Nordendorf, die auf zweieinhalb Meter anstieg.

Der Klimawandel ist eine Ursache dafür, dass Extremwetterereignisse häufiger und heftiger werden. Dazu zählen Hitzewellen, Dürren und eben auch starke Niederschläge.

Auch in anderen Ländern der Erde ereignen sich gerade Hochwasserkatastrophen. Akuter Auslöser sind sintflutartige und lang andauernde Regenfälle. Sie führen zu Überschwemmungen, zerstörten Häusern, Verletzten und Toten. Aktuelle Beispiele sind neben Deutschland Pakistan, Afghanistan, Kenia, Tansania, Brasilien und Indonesien. Gerade angesichts zunehmender Extremwetter-Verhältnisse bekommt die Katastrophenvorsorge einen noch höheren Stellenwert.

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2024-08-27T08:04:22+00:00
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