Nachdem die erste Verteilungsphase von Hilfsgütern für Notunterkünfte (Plastikplanen und Seile) in den zugänglichen Dörfern so gut wie abgeschlossen ist, ist nun die zweite Phase des Wiederaufbaus angelaufen.
Privathaushalte, Schulen und Gesundheitsposten müssen für die Regenzeit gerüstet werden und benötigen dafür Wellblechdächer und Baumaterial, sowie das entsprechende Werkzeug.
Um herauszufinden, wie LandsAid diesen Prozess am besten unterstützen kann, haben wir uns am Dienstag mit dem Leiter der lokalen Schulbehörde, Mr. Hary, getroffen. Er erzählt uns, dass von den insgesamt 500 Schulen, die es im Gorkha-Distrikt gibt (Grund- und weiterführende Schulen), 300 komplett zerstört sind.
Die Atmosphäre in dem kleinen Gebäude der Behörde ist entsprechend angespannt-beschäftigt. Kleine Gruppen sitzen vor Computern und sammeln Daten über beschädigte Klassenzimmer, es werden Baupläne gedruckt und Kostenkalkulationen erstellt.
Die Regierung hat beschlossen, sogenannte Temporary Learning Centers, also temporäre Lernzentren, zu errichten, damit der Schulbetrieb so schnell wie möglich – nämlich schon diesen Sonntag! (hier der erste Tag der Woche) – wieder anlaufen kann. Nachdem bereits ein Monat ohne Unterricht ins Land gezogen ist, ist die Rückkehr der Kinder in die Schulen ein großes Anliegen der Eltern. Während in Gorkha Stadt bereits einige Schulen wieder geöffnet haben, ist dies in den meisten Dörfern nicht der Fall.
Die lokalen Behörden setzen jedoch alles daran, das bis zum Sonntag 50 % der Schulen über temporäre Lernzentren verfügen und so packen nicht nur die Armee, sondern auch Eltern, sowie die Lehrer und Lehrerinnen selbst beim Bau der Klassenzimmer mit an. Spontan lädt uns ein engagierter ehemaliger Lehrer ein, am nächsten Tag, einige der bereits fertig gestellten Übergangsschulen zu besuchen.
Dieser Einladung folgen wir gerne und so brechen wir am nächsten Tag gemeinsam mit Mr. Hary und einem Bauingenieur in das von Gorkha Stadt südwestlich gelegene Namjung auf. Nach wenigen Kilometern verlassen wir die befestigte Straße und fahren über Schotterpisten an steil abfallenden Hängen entlang. Große Felsbrocken liegen am Straßenrand und häufig sehen wir kahle Stellen in den Bergen, wo ein Landrutsch die komplette Vegetation mit sich gerissen hat.
Bei unserem ersten Stopp an einer Schule ist das Hauptgebäude zwar noch erhalten, weist aber viele Risse an Innen- und Außenwänden auf. Das Gebäude wird fleißig inspiziert, jedoch sind die Sicherheitsbedenken zu groß, um den Unterricht wieder innerhalb des Gebäudes aufzunehmen, sodass eine Art Wellblechtunnel als vorübergehendes Klassenzimmer auf dem Pausenhof errichtet wurde.
Bei der zweiten Schule, die wir besichtigen, ist das Ausmaß der Zerstörung jedoch gewaltig. Die noch an den Angeln hängenden Fenster und Türen haben ihre Funktion verloren. Denn es gibt keine Wände mehr, die sie teilen könnten. So geben sie den Blick frei auf die dahinterliegenden sattgrünen, der Zerstörung trotzenden Berge und Anbauterrassen. Da ein zweites, auf Stahlträgern gebautes Gebäude das Beben zwar mit Schäden, aber einigermaßen intakt überstanden hat, wird dies als temporäres Lernzentrum für die nächsten zwei Jahre dienen.
Auch bei unserem dritten Stopp in Namjung selbst gibt es nicht mehr viel von der Schule zu sehen. Holztische und Bänke stehen einsam und verlassen in der Sonne, zerbrochene Reagenzgläser liegen auf dem Boden, aus den Trümmern gerettete Computer und Fernseher liegen am Rand. Das sich noch im Rohbaubefindende neue Schulgebäude hat das Erdbeben zwar unbeschadet überstanden, muss aber erst noch fertig gestellt werden bevor hier Unterricht stattfinden kann.
Vor den Trümmern halten die Lehrer (nur eine der Anwesenden ist weiblich, in den weiterführenden Schulen ist ein Großteil der Lehrkräfte noch immer männlich) eine Versammlung ab, um über die Situation in ihren jeweiligen Dörfern zu berichten.
Mr. Hary gibt Worte der Aufmunterung und versucht Hoffnung zu verbreiten, doch nicht nur der Arbeitsplatz vieler Lehrerinnen und Lehrer wurde zerstört, sondern auch deren eigene Häuser. Dennoch sehen wir, dass der Wiederaufbau mit voller Kraft voran gebracht wird und auch bei unserem letzten Besuch einer Schule wird fleißig gehämmert und genagelt. Alte Holzbalken und Wellblechdächer werden wiederverwendet, wo es geht. Der Willen und die Antriebskraft der Dorfgemeinschaften, ist deutlich spürbar und es ist das Engagement aller Beteiligten, die die schnellstmögliche Rückkehr der Mädchen und Jungs in ihre Schulen möglich macht.
So endet dieser Tag nicht nur mit steifen Gliedern, sondern auch mit gemischten Gefühlen: Auf der einen Seite steht die Einsicht, dass bevor alle Schulen wieder vollständig aufgebaut sind, wahrscheinlich noch Jahre vergehen werden.
Auf der anderen Seite stehen die Hoffnung und der Wille der Menschen, ihre Zukunft und die Zukunft ihrer Kinder wiederaufzubauen.
Da der LKW mit den bestellten Hygiene-Kits, Decken und Kochutensilien bereits Indien verlassen hat, erwarten wir dieser Tage seine Ankunft hier in Gorkha. Wir hoffen also, euch beim nächsten Mal schon mehr darüber erzählen zu können.
Liebe Grüße!