Tagebucheinträge
2010 verwüstete ein verheerendes Erdbeben den Inselstaat Haiti. Alleine in der Hauptstadt Port-au-Prince benötigten 3.000 bis 4.000 Menschen speziell angepasste Prothesen. Deswegen hat LandsAid direkt in der Stadt eine Prothesenwerkstatt eingerichtet. In dieser wurden nicht nur Patienten behandelt und mit Prothesen ausgestattet, sondern auch lokale Helfer ausgebildet. Eva-Julia Suhren war im Jahr 2011 für drei Monate im Land und berichtet in diesem Tagebuch von ihren Erlebnissen.
Am Dienstag erreichten wir Port au Prince. Werner und ich werden die nächsten drei Wochen gemeinsam in und für die Prothesenwerkstatt arbeiten. Und dort ging es auch gleich hin, direkt vom Flughafen in die Werkstatt, wo schon Patienten auf Werner warteten. Während Werner sich gleich an die Arbeit machte, fuhren Birgit und ich in die Physiotherapie des General Hospital. Wir wollten unsere israelischen Kooperationspartner Dr. Itzhak Siev-Ner und Anat Kristal kennenlernen, die allerdings gerade ihren letzten Tag hatten. Dort trafen wir auch gleich Dr. Gédéon vom haitianischen Roten Kreuz, dem zweiten Kooperationspartner von LandsAid und ich wurde allen vorgestellt. Zurück in der Werkstatt durfte ich gleich Vorstellungsgespräche mit zwei potentiellen Auszubildenden führen auf Englisch und Französisch. Abends ging es zu einem Abendessen mit unseren israelischen Kooperationspartnern, an dem auch Dr. Ziva Yizhar teilnahm, die ab dem folgenden Tag die Physiotherapie übernahm. Das war schon mal ein interessanter erster Tag.
Am folgenden Tag kam endlich auch mein Gepäck an, das den Flug über den Atlantik erst einen Tag nach mir geschafft hatte. In den folgenden Tagen lernte ich vor allem alle Mitarbeiter der Prothesenwerkstatt und der Kooperationspartner kennen. Dazu machte ich mich mit den Tätigkeiten hier vor Ort, den Mitarbeiter anderer NGOs und der Stadt Port au Prince vertraut. Port au Prince ist auf den ersten Blick vor allem staubig und eine unglaublich lebendige Stadt. Überall ist Musik, Handel auf der Straße mit Obst, Haushaltswaren, Getränken, Autoreifen und allem, was man so braucht.
Es fahren Autos über Autos durch die engen Straßen und irgendwie klappt es doch immer mit dem Verkehr. Nur wenn Birgit und ich die Straße überqueren, nimmt unser Fahrer François unsere Hände, damit uns nichts passiert, was uns ein bisschen an unsere Kindheit erinnert, als unser Vater uns zum Überqueren einer Straße an die Hand nahm. Von dem Erdbeben sieht man immer noch Spuren, Schutt und eingeknickte Häuser. Jedoch wird hier gerade sehr viel gearbeitet und versucht, die Stadt wieder Instand zu setzen.
Trotz der Wahlen, die am Sonntag anstehen, und der Rückkehr des ehemaligen Präsidenten Jean-Bertrand Aristide herrscht eine gute und eher entspannte Stimmung in der Stadt. Die Ergebnisse der Wahlen werden vermutlich etwa 10 Tage später verkündet.
Zusätzlich kam in dieser Woche Frau Monica Pimentel aus El Salvador in der Werkstatt vorbei. Sie leitet das Ausbildungsprogramm für Prothesentechniker an der Don Bosco Universität in El Salvador. Zusammen mit einigen Werkstätten in Port au Prince wird sie in den nächsten Monaten ein nationales Ausbildungsprogramm für Prothesentechniker etablieren. Sie war von unserer Werkstatt sehr begeistert und wollte am liebsten sofort mitarbeiten.
Insgesamt hat sich Werner in seiner ersten Woche bereits um fünf Patienten gekümmert. Mit der Unterstützung unserer zwei Praktikanten, die möglicherweise hier ihre Ausbildung absolvieren werden, ist er zügig mit der Arbeit vorangekommen.
Inzwischen sind Werner und ich schon fast zwei Wochen hier und die Zeit ist wie im Fluge vergangen. Am kommenden Dienstag reist Werner bereits wieder ab. Ich bin froh, dass ich dieses Land noch weiter kennenlernen darf. Umso mehr freue ich mich, dass ich miterleben darf, wie Menschen mit Prothesen versorgt werden und wie sie sich darüber freuen, wieder laufen zu können. Die Mücken haben sich inzwischen auch an mich gewöhnt, die Schonzeit ist vorbei. Jeden Morgen warten sie im Badezimmer auf mich wenn ich verschlafen und einigermaßen hilflos ohne Brille hereinkomme, hungrig, da sie die ganze Nacht nichts zu essen bekommen haben. Schließlich habe ich schön geschützt in meinem Moskitozelt geschlafen.
Diese Woche konnte Werner insgesamt 4 Prothesen und 3 Orthesen Patienten vollständig versorgen und ich durfte das erste Mal erleben, wie ein junger Mann seine Beinprothese bekam, aufstand und anfing zu laufen, etwas wackelig zunächst mit Geh-Wagen und Werners Hilfe, ein Runde später schon viel sicherer. Und wie er sich darüber freute. Eli Carmeli, ein Physiotherapeut unseres israelischen Kooperationspartners MDA, war auch gerade in der Werkstatt zu Besuch und machte begeistert gleich ein paar Übungen mit dem Patienten. Zum Dank hat der Patient Werner noch ein schönes Bild mit einer Blume und einem Vogel gezeichnet und “I love you so much” dazu geschrieben. Das war ein tolles Erlebnis.
Ich habe in dieser Woche den örtlichen Baumarkt kennengelernt, um ein paar Dinge für die Prothesenwerkstatt zu besorgen. Der haitianische Baumarkt unterscheidet sich schon sehr von den deutschen Baumärkten, die ich kenne. Diese riesigen Bauzentren, in denen es alles gibt, was man nur irgendwie gebrauchen könnte. Hier gibt es Schrauben nicht in allen Größen und um eine 10 cm lange Metallstange in einer bestimmten Dicke zu bekommen, mussten wir etwa 5 m kaufen, kleiner gab es sie nicht. Jetzt werden wir sie auch als Gardinenstange benutzen, um im Ankleide-/Anproberaum der Prothese Werkstatt einen Vorhang aufzuhängen.
Weiterhin sind wir gerade dabei gemeinsam mit Dr. Gédéon vom haitianischen Roten Kreuz, uns darum zu kümmern, die Patienten mit Schuhen zu versorgen. Da die meisten Patienten bereits vor über einem Jahr amputiert wurden, besitzen sie inzwischen nur noch einen Schuh und sind auch finanziell nicht in der Lage, Schuhe zu kaufen. Möglicherweise können wir bald jedem Patienten zusammen mit seiner Prothese ein Paar Schuhe überreichen.
Immer noch tut sich in Port-au-Prince einiges. Der Präsidentenpalast, an dem seit kurzer Zeit gearbeitet wird, verändert fast täglich sein Aussehen. Trotzdem sind immer noch die starken Schäden, die das Erdbeben verursacht hat, in der ganzen Stadt zu sehen. Immer noch stehen überall in der Stadt und außerhalb sehr viele Zelte, in denen Menschen leben, die durch das Erdbeben ihr Obdach verloren haben. Ein Haitianer, den ich hier kennenlernte, erzählte mir, dass durch das Erdbeben 12 Mitglieder seiner Familie ums Leben gekommen sind und dass er nie gerne lange am Meer sei, da er Angst vor einem Tsunami habe.
Trotzdem oder möglicherweise gerade deshalb empfinde ich oft eine große Lebensfreude der Menschen hier, überall sind karibische Klänge oder Salsa zu hören. Bunte Farben, sei es in Bildern, die am Straßenrand verkauft werden, oder die Kleidung der Menschen, bestimmen das Straßenbild.
Am kommenden Wochenende wird Markus Gilbert bereits das zweite Mal in die Werkstatt kommen und ich freue mich schon darauf, gemeinsam mit ihm die Patienten zu versorgen.
Da Werner in der letzten Woche bereits am Dienstagvormittag abgereist ist, war die Werkstatt leider nur am Montag geöffnet. Werner hatte inzwischen fast alle seine Patienten vollständig versorgt, weshalb am Montag nur noch ein junges Mädchen zum Anpassen ihrer Prothese kam. Sie hat sich sehr über ihre Prothese gefreut und fragte gleich nach ihren ersten erfolgreichen Gehversuchen, wann Werner das nächste Mal da sei. Darüber hinaus hätte sie beim Verlassen der Werkstatt fast ihre Krücken vergessen, wenn Werner sie nicht daran erinnert hätte. Wenn das kein Erfolg ist!
Außerdem hat Werner alles vorbereitet, damit Markus gleich mit der Arbeit loslegen kann, wenn er nächsten Dienstag ankommt.
Die Verkündung der Wahlergebnisse, die eigentlich für Donnerstag geplant war, wurde nun auf Montag den 04. April verschoben. Wir hoffen, dass keine Unruhen entstehen und dass wir am Dienstag mit zwei Spezialisten für Armprothesen, die extra aus Deutschland anreisen, und mit Markus gleich anfangen können zu arbeiten.
Diese Woche sind mit Yael und Mostafa zwei neue Physiotherapeuten aus Israel angekommen und Ziva und Eli, mit denen wir in den letzten zwei Wochen zusammengearbeitet haben, sind wieder abgereist. Yael hatte gleich einen etwas ungewöhnlichen Start in Haiti. Sie wurde nicht – wie sie erwartet hatte – von ihren israelischen Kollegen abgeholt, sondern nur von dem Fahrer Jean Baptiste, der als Erkennungsmerkmal ein MDA-T-Shirt an hatte.
Durch die vielen „Gepäckträger“ am Flughafen und durch die unerwartete Abholung durch einen „Fremden“ verunsichert und etwas gestresst, wurde sie endgültig nervös, als sie in das Auto einstieg und die Türen sich automatisch verriegelten. Sie dachte, Jean Baptiste hätte möglicherweise das T-Shirt geklaut und Würde sie nun kidnappen. Erst als er die aufgelöste Yael mit schöner haitianischer Musik beruhigen wollte, dachte sie, dass dies definitiv eine merkwürdige Entführung sei und ein Anruf bei Ziva konnte sie dann endgültig beruhigen.
Außerdem habe ich zusammen mit Yael, Mostafa und Jean Baptiste diese Woche am Freitag bei einer Tanzveranstaltung den beinamputierten Tänzer George kennengelernt. Er kann dank seiner Prothese wieder tanzen und es war eine wahre Freude ihm beim Salsa-, Cha-Cha-, Rumba- und Merengue-Tanzen zuzusehen.
Seit Donnerstag wohne ich nun übergangsweise im Kinderkrankenhaus St. Damien, das ein Projekt der Organisation „Unsere kleinen Brüder und Schwestern“ ist. Es befindet sich etwas außerhalb der Stadt und ist dadurch für die Zeit der Verkündung der Wahlergebnisse ein sicherer Aufenthaltsort für mich und ich kann sogar etwas in der Apotheke aushelfen.
Unsere neue Unterkunft, in die wir gerade umgezogen sind, befindet sich nämlich mitten in der Stadt in der Nähe der Werkstatt und des General Hospital. Aber eben auch dort, wo Demonstrationen auftreten können, wenn die Menschen hier nicht mit dem Wahlergebnis zufrieden sein sollten.
Heute ist Montag und noch sind die Wahlergebnisse nicht verkündet worden, es bleibt also spannend.
Bald mehr, viele Grüße…
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- Bereits um sechs Uhr klingelt der Wecker. Father Pelegrine wartet schon auf mich und bittet mich, einen Baum auf seinem Grundstück zu pflanzen. Jetzt haben wir schon den 21. April und zwei arbeitsreiche Wochen liegen hinter uns, weshalb ich eine Zeitlang nicht zum Schreiben gekommen bin.
Nachdem am Dienstag, dem 05.04. unser Techniker Markus Gilbert und am Montag davor zwei Armprothesentechniker von Otto Bock angekommen waren, konnten wir am Dienstag die Werkstatt wieder eröffnen.
Die Verkündung der Wahlergebnisse am Montagabend verlief ruhig und die Prothesentechniker Ulrich Müller und Dieter Storck von Otto Bock konnten, obwohl sie genau zur Zeit der Ergebnisverkündung am Flughafen ankamen, sicher in ihr Hotel gebracht werden.
Ich selbst konnte vorher noch in der Apotheke des St.Damien Kinderkrankenhauses, in dem ich bis Dienstag früh untergebracht war, etwas aushelfen.Am Dienstag ging es für Markus und die zwei Armprothesentechniker gleich los. Drei Armprothesenpatientinnen warteten schon auf uns, als wir ankamen. Markus konnte darüber hinaus an zwei Beinprothesen weiterarbeiten, die noch nicht ganz fertig geworden waren. Markus hat sich in der ersten Woche bereits um fünf Patienten kümmern können, unter anderem um einen jungen Studenten, der nach Anprobe seiner Prothese gleich damit loslaufen konnte. Bei seinem Weg aus der Werkstatt war das einzige sichtbare Zeichen seiner Amputation die über die Schulter gelegten Krücken.Ulrich Mueller und Dieter Storck von Otto Bock haben in den beiden Wochen insgesamt sieben Patienten mit Armprothesen versorgt. Mit weiteren Fünf, die während dieser zwei Wochen leider nicht versorgt werden konnten, da ihre Amputationen sehr schwer mit Prothesen zu versorgen sind, wurden Gespräche geführt und Messungen durchgeführt. LandsAid ist damit die erste Organisation, die sich um armamputierte Patienten in Haiti kümmert, da die Versorgung deutlich aufwändiger ist, als die Versorgung mit Beinprothesen.Was mich besonders beeindruckt und auch erschüttert hat, sind die Geschichten, die jeweils hinter den Patienten stehen. Eine junge Frau, die leider diesmal noch nicht versorgt werden konnte, hat durch sieben aufeinanderfolgende Amputationen, die aufgrund persistierender Infektionen nötig wurden, nicht nur ihren Arm sondern auch ihre Schulter verloren. Den Mut und die Selbstsicherheit dieser jungen Frau, die zu spüren war, obwohl sie während der Befragung weinte, haben mich sehr beeindruckt.
Auch einer weiteren jungen Frau war ihr Trauma durch das Erdbeben noch deutlich anzumerken. Sie hat in der Universität fünf Tage unter den Trümmern gelegen, bevor sie gefunden wurde. Danach musste ihr als Linkshänderin der linke Arm amputiert werden.
Weiterhin habe ich gelernt, dass Menschen die einen Arm verloren haben, ihn oft noch in der letzten Position spüren, die er direkt vor dem Unfall hatte. Der Arm liegt oft in einer Schutzposition vor dem Körper und ist sehr angespannt, was zu einer Verspannung der Schultermuskulatur und Schmerzen führt.Besonders deutlich war dies bei einem Patienten zu spüren, der beide Hände durch ein beim Erdbeben herabfallenden Stromkabel verloren hatte. Seine Arme haben sehr oft gezuckt, was den Stromschlag darstellte, den er erfahren hatte. Leider konnten wir diesen Patienten noch nicht versorgen.
Ein junges Mädchen, deren Oberarm amputiert wurde und die sich sehr über ihre Armprothese gefreut und fleißig trainiert hat, konnte schon nach einem Tag ihre Prothese selbstständig anziehen und den Arm hoch und runter bewegen.
Die letzten zwei Tage dienten zum Nachstellen der Prothesen und dem Üben im Umgang mit der Prothese, bei dem uns unsere Kooperationspartner Mustafa und Yael vom israelischen Magen David Adom tatkräftig in der Werkstatt unterstützten.Auch Markus und ich konnten dabei mithelfen, manchmal wurden bei den Mädchen meine Französisch Kenntnisse verlangt. Gerade wenn es ums An- und Ausziehen der Prothesen ging und die Männer vor der Tür warten mussten.
Den Verlauf der zwei Wochen kann man übrigens an Markus Bartwuchs sehr gut erkennen. Er hat den Verlust seines Gepäcks mit Gelassenheit getragen. Das einzig sichtbare Zeichen für das Unglück war sein jeden Tag dichter werdender Bart.Es waren interessante, ereignisreiche und lehrreiche zwei Wochen für mich und die Freude der Kinder und Menschen, die mit Prothesen versorgt werden, macht mich jede Woche wieder glücklich. Trotzdem leben hier immer noch sehr viele Menschen in großer Armut, besonders in den Zeltstädten. Die Hoffnung, dass mit dem neuen Präsidenten ein Umschwung kommt und die Armut abnimmt ist groß und wird hoffentlich erfüllt werden.
Dienstag sind Ulrich Mueller und Dieter Storck und heute Markus wieder abgeflogen, so dass die Werkstatt bis zum 2. Mai geschlossen bleiben wird. Ich werde in dieser Zeit wieder in dem Kinderkrankenhaus St. Damien unserer Partnerorganisation „Unsere kleinen Brüdern und Schwestern“ in der Apotheke aushelfen. Gemeinsam mit vier anderen LandsAid-Mitarbeitern, die zurzeit in der Cholera-Klinik aushelfen, kann ich hier sehr sinnvoll mitarbeiten.
Nachdem ich eine Woche in den Apotheken des Kinderkrankenhauses St. Damien helfen konnte, habe ich am Samstag, dem 30. April unseren neuen Techniker Sebastian Pfister abgeholt. Er wird jetzt für einen Monat in der Werkstatt mithelfen. Am Montag darauf konnten wir endlich die Werkstatt wieder öffnen und es gab auch gleich viel zu tun für Sebastian. Sieben Patienten waren insgesamt da, die jeweils unterschiedlich versorgt wurden mit einer komplett neuen Prothese, mit einer Orthese oder mit dem Nachstellen einer bereits vorhandenen Prothese. Am Dienstag war es sehr viel ruhiger, so dass sogar Zeit blieb, um mit den beiden Studenten Gipsen zu üben. Ab Mittwoch wuchs der Patientenstrom wieder an, so dass immer gut zu tun war. So konnten in der letzten Woche insgesamt 10 Patienten versorgt werden.
Einer von ihnen bekam jedoch keine Prothese oder Orthese, sondern ein Paar Diabetiker Schuhe, eine Spende, die wir für ihn aus Deutschland mitgebracht haben. Diese Spezialschuhe dienen dazu, den Fuß schonend einzufassen, um so Verletzungen zu vermeiden, die bei Diabetikern sehr schlecht abheilen und die sogar bis zu einer Amputation führen können.
Die Physiotherapeutin Yael und der Ergotherapeut Mustafa von unserem israelischen Kooperationspartner MDA sind letzte Woche wieder abgereist und Shany und Hadas sind stattdessen angekommen. Hadas arbeitet gerade mit Mireille, der jungen Frau, die durch sieben Amputationen auch ihre Schulter verloren hat und ist von ihr genauso angetan wie ich es bin. Shany ist bereits das zweite Mal hier und sie scheint ebenso wie mich die Begeisterung für dieses Land gepackt zu haben. Diese Vielfalt, die Freundlichkeit, die Musik, die Wärme und die Möglichkeit unmittelbare Hilfe leisten zu können und einen Teil zum Wiederaufbau beitragen zu können, begeistert mich immer wieder.
Ich bin auch, trotz meines bereits zweimonatigen Aufenthalts, immer noch dabei, mich an die „haitianische Zeit“ zu gewöhnen. Heute am Mittwoch kümmerte ich mich um eine Mitfahrgelegenheit zu einem Treffen verschiedener Organisationen am Freitag in einem anderen Ort. Eine Mitarbeiterin einer anderen deutschen Hilfsorganisation war ganz überrascht, dass ich mich schon zwei Tage vorher darum kümmerte, das sei sie gar nicht mehr gewohnt. Und als ich vor einiger Zeit kurz vor Feierabend in der Werkstatt ankündigte, in 15 Minuten fahren zu wollen, fragte mich unser Dolmetscher sofort: „Deutsche oder haitianische Zeit?“. Das erinnert mich an einen Satz, den ich vor kurzem von einem Haitianer hörte: Der Haitianer hat die Zeit erfunden und der Deutsche die Uhr. Trotzdem klappte unsere Abfahrt an dem Tag nach immerhin 20 Minuten, soviel Eindruck scheinen wir hier schon hinterlassen zu haben.
Hier wird übrigens jeden Morgen um acht Uhr vor dem zerstörten Präsidentenpalast mit einer Parade die haitianische Flagge gehisst, was vor diesem Hintergrund immer etwas seltsam aussieht. Zurzeit werden vor dem Präsidentenpalast eine große Bühne und Tribünen aufgebaut, da am Samstag die feierliche Einführung des neuen Präsidenten in sein Amt stattfindet. Die Menschen hier freuen sich schon, ihren neuen Präsidenten zu feiern, sie blicken gespannt und hoffnungsfroh in die Zukunft.
Die Einführung des neuen Präsidenten in sein Amt war hier in Port au Prince ein großes Fest und überall fanden Feiern und Konzerte statt. Alle wünschen sich, dass er die großen Erwartungen, die die Menschen hier haben, erfüllt. Wir sind an dem Tag allerdings lieber zuhause geblieben, da die Stimmung immer noch schlecht vorhersehbar ist und schnell umschlagen kann. Wir hoffen natürlich, genau wie die Haitianer, dass alles weiterhin ruhig bleiben wird. Hoffentlich gehen die Erwartungen in Erfüllung und die Stadt wird nach und nach wieder aufgebaut. Vor allem die Menschen in den Zeltstädten brauchen dringend wieder ein festes Dach über dem Kopf. Bei den Regenfällen, die in dieser Jahreszeit üblicherweise stattfinden, steht schon mal unsere Unterkunft unter Wasser. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es wohl in den Zeltstädten aussehen mag.
Am 18. Mai wurde hier der „Tag der Fahne“ gefeiert. Es ist ein offizieller Feiertag und alle Geschäfte, einschließlich unserer Werkstatt, waren geschlossen. An diesem Tag nähen üblicherweise die Frauen die Landesflagge und die Kinder verkaufen auf Basaren in ihren Schulen kleine Dinge.
Letzte Woche hatte Sebastian Bergfest. Er ist inzwischen die dritte Woche hier und fühlt sich sehr wohl. Er hat sich an die haitianische Zeit gewöhnt und an Arbeit mangelt es auch nicht. Zurzeit kommen so viele Patienten, dass er fast gar nicht hinterher kommt.
Er hat sich in der letzten Woche um sechs Prothesen- und um drei Orthesen Patienten kümmern können, die zum Teil neu waren und zum Teil weiterversorgt wurden. Den beiden Studenten hat er darüber hinaus aufgetragen, ihre erste eigene Fuß Orthese herzustellen. Dafür mussten sie sich zunächst gegenseitig einen Gipsabdruck ihres Fußes herstellen, um anschließend mithilfe dieses Modells eine Orthese bauen zu können. Dieses Modell kann später auch für Patienten mit ähnlich großen Füßen verwendet werden.
Auch von mir wurde letzte Woche ein Gipsabdruck des linken Arms angefertigt. Ein Patient benötigte eine Armorthese, durch eine Verkürzung seiner Sehnen im Arm fiel die Hand immer wieder in eine Beugestellung zurück. Deswegen konnte der Arm nicht gut gegipst werden. Da meine Hand und mein Arm ziemlich genau der Größe der Hand und des Arms dieses Patienten entspricht, wurde ich kurzerhand als Modell einbestellt, sehr zum Vergnügen unserer Studenten.
Auch unsere israelischen Kooperationspartner hatten letzte Woche wieder einen Wechsel. Die beiden Therapeutinnen Hadas und Shany sind abgereist und Tamar und Efrat sind angekommen, um mit uns gemeinsam weiterhin die Patienten zu versorgen.
Ich bin unglaublich dankbar, dass ich miterleben darf, wie Menschen sich darüber freuen, wieder laufen zu können!
Eva-Julia Suhren – 2011 für LandsAid in Haiti
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